„Brennt Gomorrha?“ – Die Hintergründe
- wie der Roman entstanden ist
- was an selbst Erlebtem ihm zugrunde liegt
- wie es zum Titel kam
- warum „Brennt Gomorrha?“ nicht als E-Book erscheinen wird
Es begann schon im vorigen Jahrtausend, als mir nach einigen Theatermanuskripten und Regiearbeiten die Idee kam, aus eigenen Erinnerungen eine Schulgeschichte zu schreiben. Titel: „Fürchtegott“.
Die Chance, bei einem Verlag zum Zug zu kommen, war damals noch eine realistische, trotzdem kam Absage nach Absage. Rückblickend betrachtet verständlich, denn die Suppe war reichlich dünn. Sowohl die Rahmenhandlung als auch das „Buch im Buch“ fehlten ja noch.
Einen zweiten Anlauf, die Sache zu vollenden, unternahm ich erst 2017. Aber dann ging alles Schlag auf Schlag, von Schriftsteller-Burnout keine Rede. Obwohl die Erweiterung der Handlung umfassende Recherchen erforderte, war die Neufassung im Nu fertig. Arbeitstitel: „Diener des Teufels“. Etwa ein Drittel des alten Textes flog raus, der Rest wurde auf das Doppelte erweitert, auf eine solide motivische Basis gestellt und die Sprache ausgefeilt.
Besonderes Glück hatte ich mit meinem Lektor. Anfangs kritisch, was die Länge betraf, erkannte er rasch, dass die Handlungsebenen eine durchaus stimmige motivisch verzahnte Einheit bilden. So fiel fast nichts der Schere zum Opfer – zum Glück! Als Cineast kenne ich Filme, die gewaltsam auf Spielfilmlänge getrimmt wurden, deren motivischer Zusammenhang aber oft erst beim Betrachten der „deleted scenes“ klar wird.
Mein Buch ist auch ein visuelles. Schriftgröße, Schriftart und zentrale Positionierung von Nicht-Prosa helfen beim Lesen, speziell dort, wo die Perspektive wechselt. Heißt, es wird (zumindest nach dem derzeitigen Stand der Technik) nicht als E-Book erscheinen.
Inhalt und Stimmungen stammen zu einem beträchtlichen Teil aus meinem persönlichen Erlebnisbereich: Mutter Schauspielerin, Vater unverschuldet aus meinem Leben verschwunden, (Groß)Tante im Krieg knapp dem Feuersturm entkommen. Dazu kam meine Gabe, ja, mehr noch, Besessenheit, Leute zu studieren und mich in Rollen hineinzudenken, vermutlich, weil ich selber keine große Rolle spielte. Die „Opfer“ meiner Beobachtungen gebe ich wo möglich 1:1 wieder, nur ihre Namen werden verändert, und es mag schon mal sein, dass zwei Personen zu einer verschmelzen. Auch färbt die Erinnerung gern um. Aber sie verklärt nicht.
Zumindest nicht bei mir.
Das Bassenahaus meiner Urgroßmutter war der ideale Nährboden für Bazillen jeglicher Art, auch den des Schriftstellers. Personen, die mich ein Stück meines Weges begleiteten, übersiedelten in dieses Ambiente: Der stets illuminierte Wirt, die sensationsgeile Milchfrau, der solide alte Tischler, der nette jüdische Hausherr Schönleben, dem man alles nahm, nur nicht den Glauben an die Menschen, der Pudel namens Ponto, die dicke Hausbesorgerin (eine Wirtin in Osttirol, deren Charme ich als Kind tatsächlich verfiel). Nichts an diesen Figuren ist, so hoffe ich, klischeehaft, denn es hat sie ja wirklich gegeben.
Auch sonst habe ich meine Jugend schamlos ausgebeutet. Das alte (Film)theater wurde zum „Auge zur Welt“, die düster-romantische Landschaft Osttirols zum „Schwarztal“ mit Bauernhof, Wildbach und Bergsee. Die Schule mit all ihren obskuren Gestalten ist gleichfalls ein Konglomerat aus Erlebtem: Skurrile Figuren wie die „Tante Maria“, der bigotte Seelsorger, körperliche Züchtigung und Unzucht an Minderjährigen – ja, das gab es tatsächlich.
Beeindruckt haben mich auch das Drama „Soldaten“ von Hochhuth, wo es um die moralische Rechtfertigung der gezielten Tötung von Zivilisten geht, und natürlich Vietnam. In der Stimmung der 68er aufgewachsen, hätte ich mir nie träumen lassen, dass der nackte Wahnsinn von damals in den heutigen Kriegs- und Krisengebieten Normalzustand geworden ist und die geschwürartig wuchernde Sensationsgeilheit nur noch in den niedersten Schubladen des Internets befriedigt werden kann.
Durchaus möglich, dass ich mit meiner Darstellung von Brutalität und Grauen manche Leser gar nicht mehr erreiche, vielleicht habe ich auch deshalb den ironischen Erzählton gewählt. Was mich betrifft, ich empfand beim Anblick von´Tod und Zerstörung (von der Neugier des Schriftstellers mal abgesehen) immer nur Ekel und Entsetzen und tue es heute noch. Dass ich bei der Tagesschau Mahlzeiten zu mir nehme, dient wohl eher der nervlichen Beruhigung. Das Feuer ist bei mir deshalb ein zentrales Motiv, weil es im modernen Kriegsgeschehen neue ungeahnte Dimensionen erlangt, während die Kirche es heutzutage nur noch unter dem Teppich glosen lässt. Sie hat bei Gott andere Probleme….
Woher also der Titel „Brennt Gomorrha?“.
„Brennt Paris?“ kreischt Hitler ins Telefon in René Cléments gleichnamigem Kriegsfilm, und „Brennt Gomorrha?“ sind die Worte, die ich Churchill in den Mund lege, als er sich nach dem Erfolg der „Operation Gomorrha“, der generalstabsmäßig geplanten Brandschatzung Hamburgs erkundigt. Von den entsetzlichen Nazi-Verbrechen einmal abgesehen, gibt es in jedem Krieg fließende Grenzen zwischen gut und böse, graue Bereiche zwischen moralisch und amoralisch, zweckvoll und maßlos. Historisch betrachtet sind die Parallelen zwischen dem läuternden Feuer in der Kirchengeschichte und dem säubernden Feuer in der Kriegsgeschichte frappant! Verfügung über Leben und Vernichtung Unschuldiger hier wie da.
Es war eine emotionale Gratwanderung, das alles zu Papier zu bringen. Und vielleicht wird es auch so manchen Lesenden vor den Kopf stoßen. Ich habe aber auch schon tolle Rückmeldungen, bin jedoch noch bei keinem Verlag. Da helfen nur Rezensionen aus namhafter Feder, und eine solche würde mich unendlich glücklich machen.
Wie auch immer, schreibt mir, was euch bei der Lektüre dieses Buches bewegt, vielleicht auch irritiert hat, oder was ihr gern mit mir besprechen wollt.
Euer
Tom
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